Mutter zu werden war wohl das einschneidendste was ich bisher erlebt habe. Nichts hat meinem Leben ein so anderes Gefühl gegeben wie Mutter zu werden. Diese emotionale Zeit in Worte zu fassen und aufs Papier zu bringen, ging sehr tief und hat mich einiges an Tränen gekostet.
Aber ich denke genau deshalb ist es wichtig, dass Frauen ihre Gefühle diesbezüglich ganz ehrlich teilen, denn wäre mir bewusst gewesen, dass da ganz viele Frauen sind die so fühlen wie ich, hätte ich nicht so sehr an mir gezweifelt.
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Ich war schon immer gerne unterwegs, war unabhängig und frei in meinem Tun. Habe meinen Beruf gewechselt wenn es für mich nicht mehr gepasst hat, habe die Ausbildungen besucht welche mich interessiert haben, bin gereist, habe schon immer gern ausgiebig gefeiert, war an Technopartys und Konzerten anzutreffen. Ja, ich habe so weit wie möglich das gemacht, wonach es mir war.
Ich unternahm viel mit meinem damaligen Partner und späteren Papi meiner Kinder. Wir waren ein richtig cooles Team, waren gerne zusammen unterwegs, haben uns über das ausgetauscht was uns bewegt im Leben.
Mit ca. 30 Jahren, kam der Gedanke auf, wie wäre es Kinder zu haben?
Wir besprachen ob das überhaupt in Frage kommt und wenn ja, wie wir das organisieren würden usw. Wir kamen zum Schluss, dass wir uns durchaus vorstellen könnten Eltern zu werden.
Somit setzte ich die Verhütung ab und zägg, gleich schwanger.
Kaum darüber gesprochen und schon war ich schwanger.
Hoppla, das ging jetzt aber schon sehr schnell.
Ich weiss noch ganz genau, wie ich mit meinem Tunnelblick den positiven Schwangerschaftstest angeschaut hatte und eine leichte Panik in mir hoch stieg.
Uiuiui, dass das so schnell geht, damit hatte ich nicht gerechnet.
Das hiess jetzt also für mich ab sofort, fertig Party, fertig Feierabendjoint, fertig Alkohol, fertig fertig fertig… damit konnte ich mich aber sehr gut arrangieren, hatte zu meinem eigenen Erstauen gar keine Mühe damit, all das einfach weg zu lassen.
Meine beiden Schwangerschaften waren sehr easy, ich habe auch während der ganzen Schwangerschaft gearbeitet und Power Yoga und Pilates unterrichtet, fast bis zur Geburt.
Ich habe keinerlei Geburtsvorbereitungs-Kurse besucht, ich war der festen Überzeugung, dass meine Grossmutter mit Sicherheit auch keine Kurse besucht hatte, um zu lernen was Frau während einer Geburt tun soll, ich war davon überzeugt, dass wir Frauen eine natürliche Anlage dafür haben, also wird das schon klappen.
So war es denn auch, am 10.1.2008 wurde ich zum ersten Mal Mutter. Ich hielt dieses kleine Wesen im Arm und konnte es nicht fassen, dass dieser kleine Mensch in mir herangewachsen war.
Ich war mehr als verliebt in dieses kleine Wesen, konnte mich nicht satt an ihm sehen.
Dann mit diesem Würmchen nachhause, ich hatte Angst ob ich das wohl alles hinkriegen werde, ich hatte ja von nichts eine Ahnung, wusste noch nicht mal wie man Windeln wechselt. Niemand im Freundeskreis hatte bereits Kinder und auch in der Verwandtschaft hatte es keine Cousinen oder Cousins, welche bereits Kinder hatten.
Nach kurzer Zeit zuhause wurde mir bewusst, dass Muttersein nicht ganz so judihui war, wie ich mir das vorgestellt hatte. Fast kein Schlaf, keine Erholungsphasen, keine Zeit für mich, nichts konnte ich alleine machen usw. puh, so hatte ich mir das nicht vorgestellt.
Ich hatte in meiner übermüdeten Verzweiflung nicht auf dem Radar, dass alles nur Phasen sind, welche auch wieder vorbei gehen und hatte wirklich kurz das Gefühl mein Leben wäre zu Ende.
Und doch liebte ich es so sehr mit dem kleinen Wesen zu sein, ich hatte ihn fast 24 bei mir, egal was ich machte, er war dabei.
Ich gab mir so sehr Mühe alles richtig zu machen, das Bild der guten Mutter zu erfüllen.
Bekam ich doch aus allen Richtungen Ratschläge, wie man das und jenes richtig macht. Hörte Menschen zu, wie sie über Mütter sprachen, über die guten Mütter und die anderen welche nicht dem gängigen Bild entsprachen und mir lief es kalt den Rücken runter.
Wie bösartig teilweise die Wertungen ausfielen erschreckte mich sehr.
Aber was ist eigentlich eine gute Mutter? Das habe ich mich im Laufe meines Mutterseins immer wieder gefragt.
Was ist eine gute Mutter und bin ich eine?
Durch das Mutter werden, ging mein Herz noch viel mehr auf, als es das eh schon war. Ich war hochemotional, fast alles brachte mich zum weinen. Ich war so nah am Wasser gebaut, mich berührte alles so sehr, alles schien ungebremst in meinem Herzen anzukommen.
Somit war mein Mutterinstinkt nun definitiv erwacht, dieses tiefe Fühlen, das tiefe verbunden fühlen und dieses tiefe Wissen was es braucht ohne es mit Fakten belegen zu können.
Ich spürte so viel Liebe in mir, dass ich gar nicht wusste wohin damit. Je mehr Liebe in mir heran wuchs, je kälter empfand ich die Welt.
Mit dem Mutter werden, bekam mein schon immer da gewesener Weltschmerz, unschönen Aufwind.
Mein Gedankenkarusell, „wieso die Welt so ist, wie sie ist“ und „man müsste doch“ und „wieso tut man nicht“, nahmen in meinem Herzen und meinem Kopf so viel Raum ein, dass sich die Traurigkeit nur zu gern dazu gesellte.
Ich wünschte mir so sehr eine lebenswerte Welt für meine, mittlerweile zwei Kinder, ja, denn 2010 kam meine süsse Tochter zur Welt.
Wie soll die Zukunft dieser beiden unschuldigen Wesen aussehen?
Wieso ist es allen egal, dass wir die Natur mit Vollgas an die Wand fahren?
Wieso, geht es in erster Linie um Geld und Macht?
Wieso sind die Menschen so hässlich zueinander?
Wieso werden gutherzige Menschen herunter gemacht, während Egobomber in den Himmel gehoben werden?
Wieso ist der Raster, in welchen man gefälligst zu passen hat, so eng?
All die Fragen welche ich mir schon vor dem Muttersein immer wieder gestellt hatte, begannen nun in meinem Körper zu schmerzen. Das Ganze Fühlen nahm ein fast unerträgliches Ausmass an. Es gab Tage da schmerzte mein Herz so sehr, als wollte es gleich auseinander brechen.
Und irgendwie war da niemand, mit dem ich diese Gefühle teilen konnte. So trug ich diesen Emotionskrieg im stillen in mir aus, nur die ganz krassen Ausbrüche waren nicht zu übersehen. Emotionale Frauen überfordern die Männer, so war es auch bei uns. Ich hatte Heulkrämpfe und mein Partner war zwar da, wusste aber auch nicht wie er mir hätte helfen können. Ich wusste mir ja selber nicht zu helfen. Wieso war ich jetzt nicht einfach glücklich? Ich hatte mir dieses Leben doch gewünscht, wieso fühlte es sich jetzt nicht danach an?
Auch bei treffen mit Müttern aus dem Dorf ging es nie um solche Themen. Lieber wurde über Aktionen im Coop oder der Migros geredet, welche Kleidergrösse die Kinder gerade haben, was eine gute Mutter den Kindern ins Znüniböxli packt, über den Entwicklungsstand all der Kinder oder es wurde über die Männer abgelästert. All das interessierte mich so gar nicht ich fand mich in all den Gesprächen überhaupt nicht, ich fühlte mich jeweils so am falschen Ort, dass ich meinem Partner abends die Ohren voll geheult habe, weil ich nirgends hinpasse.
Ich begann an mir zu zweifeln, weil ich anscheinend so anders war als viele der Mütter mit denen ich Kontakt hatte. Ich dachte ich sei so abseits von normal, dass ich mir um so mehr Mühe gab, die Richtlinien für eine „gute“ Mutter vollumfänglich zu erfüllen und versuchte so mein angebliches anders sein zu überspielen. Ich verbog mich regelrecht, machte alles wovon ich dachte, dass ich es jetzt als Mutter zu tun hätte.
So verbrachte ich unzählige Stunden mit meinen Kindern in der Natur, da war die Welt für mich nämlich in Ordnung. Wir waren so viel im Wald, haben mit Ästen Hütten gebaut, haben Feuer gemacht, haben den Tieren gelauscht oder waren an kleinen Bächen und Teichen und haben einfach die unbeschwerte Zeit zusammen genossen.
Für mich war das immer die schönste Zeit am Tag, die Zeit die wir in der Natur verbrachten. Ich alleine mit meinen zwei so tollen Kindern. Wenn ich sie beobachtete wie sie die Welt entdecken, wie sie sich an Käfern, Blumen, Blättern und Ästen erfreuten, war meine Welt in Ordnung.,
Weil ich mich alleine mit den Kindern in der Natur immer sehr wohl fühlte, jedoch in Gesellschaft von anderen Mamis so gar nicht, begann ich ernsthaft an mir zu zweifeln. Was um Himmelswillen stimmte nicht mit mir, dass ich nicht damit klar kam und nach jedem Kafikränzli völlig am Ende war, mich ausgebrannt und leer fühlte. Ich zog es in Erwägung, einen Psychiater aufzusuchen um abzuklären, was für einen Schaden ich habe.
Den Psychiater habe ich ausgelassen, was ich anstatt dessen gemacht habe, erzähle ich im zweiten Teil.