Das ist wohl der Teil meiner Geschichte, welcher mich am meisten Mut kostet ihn öffentlich zu stellen.

Aber genau deshalb ist er mir so wichtig.

Ich habe in den letzten paar Jahren so viel Verletzendes über meine Person, über meine Veränderung, über meine Art zu sein usw. einstecken müssen, teils von Menschen die mir eigentlich wichtig waren. Ich wusste ja, wer sich auf den Weg macht, braucht eine dicke Haut. Aber genau diese ist mir bis heute nicht gewachsen.
Ich habe so viel Herzenergie, das macht mich feinfühlig und grenzwertig mitfühlend und all das wohnt zusammen mit einem Kriegergeist im selben zierlichen Körper.
Wie kann etwas, was schon für mich selber schwer zu handeln ist, fürs Aussen zu verstehen sein?!?
Heute habe ich den Anspruch „verstanden zu werden“ bei vielen Menschen losgelassen. Es ist mir nur noch bei ganz Wenigen wichtig ob sie mich verstehen oder nicht.

Diesen Text habe ich für mich geschrieben und für alle, welche noch nicht den Mut gefunden haben, nötige Veränderungen in ihrem Leben vorzunehmen. Meistens braucht es nur etwas Mut für ersten Schritt und alles kommt ins Rollen.

Während dem ersten Seminar welches ich in Österreich besuchte, wurde mir schmerzlich bewusst, wie wenige Anteile von mir, ich wirklich lebte.
So vieles hatte ich mir selber nicht erlaubt, in der Meinung, dass man das halt nicht tut und vor allem aus Angst vor den Konsequenzen, wenn ich es denn doch getan hätte. 

Scheisse, so vieles was sich eigentlich für mich richtig angefühlt hätte, liess ich aus Angst bleiben.

Nun hatte ich aber gelernt, wie wichtig es für unsere Gesundheit ist, dass wir wirklich leben was wir fühlen. 
Und das hat gerade bei uns Frauen sehr viel mit Sexualität zu tun, ist sie es doch, die uns schon seit Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden verboten wird.

Ich hatte bis zu diesen Seminaren keine Ahnung, wie wichtig eine gesund gelebte Sexualität für die Gesundheit und unser Wohlbefinden ist, noch hatte ich eine Ahnung wie stark sich männliche und weibliche Sexualität unterscheiden.

Zu erfahren, dass es in der indigenen Welt gewisse Krankheiten schlichtweg nicht gibt, hat mich ins reflektieren gebracht und dabei schnitt ich nicht gut ab. Ich war sehr wohl auf dem Weg, ich war Suchend, ja schon immer. Aber war das wirklich mein Weg auf dem ich da unterwegs war?
Heute weiss ich… nur ansatzweise!

Und nun, nach all dem, war in mir aber etwas aufgebrochen. 

Meine Ängste hatten keine Kraft mehr und meine innere Stimme wurde lauter und lauter. Ich hatte so einen intensiven Drang, heraus zu finden wer ich denn nun wirklich bin, wenn ich all diese selbstauferlegten Verbote einfach auf der Seite lasse.
Ich wollte wissen, wer ich als sexuelles Wesen bin.

Ich wollte Erfahrungen machen!

Dies bedingte zuhause erst einmal eine ganze Menge Gespräche. Ich musste nun kommunizieren, was in mir brodelte. Ich musste zuhause mit meinem Partner diskutieren ob es innerhalb unserer Beziehung Möglichkeiten gibt, dass ich meine Erfahrungen machen kann.
Meine Erfahrungen im Geheimen zu machen war für mich keine Option, dafür hatte ich vor meinem Partner zu viel Achtung. Es brauchte einen transparenten Weg.
Eine offene Beziehung schien uns beiden ein gangbarer Weg zu sein, welchen wir nach nun rund 20 Jahren Beziehung versuchen wollten.

Wir legten Regeln fest, was geht, was geht nicht und und und…

Und so kam alles ins Laufen.

Ich machte mich auf den Weg, auf meine ganz eigene, intime Reise.

Geeignete Menschen um möglichst vielfältige Erfahrungen in der Sexualität zu machen, findet Frau am einfachsten auf einschlägigen Plattformen, also erstellte ich mir ein Profil auf einer Datingplattform.

Und somit wurde Erfahrungen machen auf einmal ganz einfach. Ich lernte viele Menschen kennen, so bunt gemischt wie ein Blumenstrauss.

Mit einigen davon kam es zu körperlichen Erfahrungen, mit anderen genoss ich den entspannten Austausch über Themen, über welche sonst niemand wirklich sprechen wollte.

Mir tat sich eine neue Welt auf.

Und mit jeder Erfahrung und mit jedem Gespräch, fand ich mich selber ein Stückchen mehr.

Mein sexueller Horizont wurde mit jeder neuen Erfahrung grösser. Teils fühlte es sich an, als würde mich das Leben, in jede Erfahrung welche ich noch machen sollte, rein schupsen. Ich probierte so ziemlich alles aus, was ich noch nie ausprobiert hatte. Ich probierte auch Sachen aus, vor welchen ich bis dahin Angst hatte, um zu merken, dass Angst tatsächlich hauptsächlich in unseren Köpfen zuhause ist.

Ich lernte Menschen kennen, welche sich in Bereichen der Sexualität bewegten die für mich bis heute nicht nachzuvollziehen und überhaupt nicht reizvoll sind. Von diesen Menschen während Gesprächen zu erfahren wie sie dazu gekommen sind und was es ihnen gibt, hat mir einen komplett neuen Blick aufs Leben gegeben.

Da waren diese vielen Menschen, bodenständig, unabhängig, in guten Jobs usw, mit sexuellen Neigungen die so fernab von meinen Vorlieben waren, ganz tolle, herzliche, liebevolle Menschen, ich bin dankbar für jede einzelne dieser Begegnungen.

Von vielen bekam ich die Rückmeldung, dass ich einen ungewöhnlich natürlichen Umgang mit dem Ganzen hätte, auch wenn mir selber diese Neigungen nichts geben, gelang es mir neben meiner Neugier, komplett urteils- und schamfrei zu bleiben.

Über diese Begegnungen lernte ich so viel über Menschen, das Leben und mal wieder, wie weit weg der moderne Mensch von seiner Natur lebt.
Die Farbpalette von Sexualität ist so facettenreich, es scheint als hätte sie keinen Anfang und kein Ende.

Und doch werden Menschen fast für nichts so sehr verurteilt wie für ihre Sexualität. Da läuft einiges falsch, bei uns Menschen!
Das Natürlichste der Welt wurde zum grössten Tabu der Menschheit!

Ich hatte einen Drive wie noch nie, ich war das erste Mal in meinem Leben wirklich im Flow. Ich war kreativ wie noch nie, konnte viel klarer und vernetzter denken und hatte schier unerschöpflich Energie. Ich fühlte mich so unglaublich gut, dass in mir der Wunsch aufkam, es müsste sich doch jede einzelne Frau auf diesem Planeten so wundervoll fühlen dürfen, was mich 2021 dazu bewegte mich zur Lima Lima Practitionerin ausbilden zu lassen.

Aus der indigenen Welt durfte ich erfahren, wie natürlich Frauen miteinander umgehen, wenn sie wirklich mit sich im Frieden sind. Wie nahe Frauen von Natur aus beieinander sind, körperlich und emotional. Für indigene Frauen ist es das Natürlichste der Welt, die Energie einer anderen Frau zu bewegen, im Wissen, dass dies die Basis für ein gesundes, glückliches Leben ist, dazu aber später mehr…

Jedoch wurde mein immer grösser werdender Freiheitsdrang in unserer Beziehung zunehmend zum Problem. Die von uns aufgestellten Regeln, welche wir für unsere offene Beziehung festgelegt hatten, waren für mich nur noch schwer einzuhalten. Also eigentlich hatte ich zu der Zeit mit allem Mühe, was sich nach Verbot oder Reglementierung anfühlte, ich wollte mir von niemandem mehr sagen lassen was ich zu lassen oder eben zu tun hätte.

Ich wurde härter im kommunizieren und einfordern was mir wichtig war, was bei uns zuhause zu immer mehr Streit führte.
Und so wurde es immer turbulenter bei uns zuhause, heftige Diskussionen und viel Streit. 

Irgendwann war ich an dem Punkt, an welchem für mich unsere unterschiedlichen Vorstellungen, nicht mehr mit unserer Beziehung zu vereinbaren waren. Auf der einen Seite fühlte ich mich so gut wie noch nie, endlich fühlte ich MICH und auf der anderen Seite, wurde die echte, ungebremste Version von mir in unserer Beziehung zur Herausforderung.

Irgendwann waren wir uns schon fast fremd, ich war ihm zu schnell und zu viel und er mir zu anstrengend, es kam zur Trennung.

Jedoch war uns beiden unsere Freundschaft und unsere Verbundenheit sehr wichtig. Also suchten wir nach einem Weg, wie wir diesen Teil weiterhin beibehalten können ohne noch ein Liebespaar zu sein.
Um Abstand und Luft zu haben, schlief ich ein bis zwei mal in der Woche in meinem Yogastudio, bis ich nach einer Weile eine kleine, bezahlbare Wohnung fand.

Das war mein Befreiungsschlag, ich hatte einen Ort für mich, an welchen ich an ein paar Tagen die Woche, ausweichen konnte, wo ich für mich sein konnte. Ein Ort wo mir niemand drein redete, wo ich tun und lassen konnte was ich wollte.

Für zuhause einigten wir uns auf die Nestvariante, ich habe erst kürzlich erfahren, dass es für diese Wohnform sogar einen Namen gibt. Wir blieben alle vier im Familienhaus wohnen, die beiden Kinder haben ihr festes Zuhause, wir Eltern umkreisen das Nest, mal bin ich dort, mal ist er dort, mal sind wir alle vier dort.

Das wir weiterhin eine Familie sind, welche in einem Haus wohnt ohne dass wir Eltern ein Paar sind, ist für viele schwer nachzuvollziehen, was ich wiederum verstehen kann. Normalerweise geht man im Streit auseinander und will nichts mehr miteinander zu tun haben, das was wir da leben ist für unser gesellschaftliches Normal sehr befremdlich.
Was ich mit Sicherheit weiss ist, dass es bei uns zuhause sehr entspannt zu geht, seit wir beide kein Paar mehr sind. Es sind keine Erwartungen mehr da, welche an den jeweils anderen gestellt werden. Heute sind wir zwei Freunde, die mit den gemeinsamen Kindern in einer WG leben.

Wenn ich zurück schaue, was sich seit 2018 in meinem Leben alles verändert hat, kann ich es teils selber nicht ganz glauben.
So viele Veränderungen, so turbulente, fordernde Zeiten.

Möchte ich zurück?

Nein ganz bestimmt nicht!

Bald, mehr darüber in Teil 2