Was soll ich sagen, bin ich nun ein geduldiger Mensch oder nicht?
Kommt wohl ganz darauf an.

Mit anderen Menschen bin ich recht geduldig, es fällt mir in den meisten Fällen eher leicht anderen den Raum zu geben, den es für den nächsten Schritt oder für die nächsten Schritte braucht. Ich spüre gut wieviel Raum jemand braucht um sich entwickeln zu können.

Aber bei mir selber…
Naja, ich würde Geduld bei mir selbst, nicht als meine Kernkompetenz bezeichnen.

Da gibt es dann eben diese Tage, diese Tage eben, ihr wisst schon, an denen ich eigentlich auch weiss, dass Füsse still halten im Moment der schlauste Zug ist, dass das jetzt halt eine dieser Phasen ist, dennoch zerreisst es mich innerlich fast.

Aktuell befinde ich mich gerade in so einer stillhalte Phase und es gibt Tage, da möchte ich einfach nur flüchten, flüchten aus meinem aktuellen Dasein.

Ich habe so viele Visionen und Träume und ich weiss genau, dass dies keine Luftschlösser sind, sondern absolut realisierbare Ziele, auf welche ich mich hinbewegen will.
Aber aktuell kann ich mich nicht so frei bewegen, wie es das bedingen würde um meine Träume Wirklichkeit werden zu lassen, also muss ich meine Füsse still halten.

Wenn ich meine Augen schliesse, sehe ich mich in meiner Zukunft, ich fühle dieses Wohlgefühl in mir, welches mich durch meine Tage tragen wird. Ich sehe den Ort, den Menschen mit welchem ich das alles teilen will, das Drumherum, ich sehe meine erfüllende Tätigkeit, ich spüre Liebe, alles ist klar, alles fliesst. 

Diese Zeit wird kommen, davon bin ich felsenfest überzeugt, aber diese Zeit ist noch nicht jetzt. Jetzt ist die Zeit um diesen Moment vorzubereiten.

Aktuell fühle ich mich tatsächlich oft, als wäre ich eine Pflanze.

In der Natur wächst eine Pflanze dort, wo ihr Samen begonnen hat zu keimen. Sie muss sich mit dem ganzen Drumherum arrangieren, da sie ihren Platz nicht einfach ändern kann. Sie muss dort gedeihen wo ihre Wurzeln sie festhalten. Hat sie einen für sich passenden Standort erwischt, wird sie wunderbar wachsen und gedeihen. Ist jedoch der Standort für ihre Konstitution nicht ideal, wird es sie einiges mehr an Energie kosten zu wachsen, sie wird sich mehr verbiegen und verrenken müssen um an ihr Ziel zu kommen.

Genauer gesagt, kann ich mich aktuell gut mit einer Kulturpflanze vergleichen, welche schon eine ganze Weile im selben Topf und in der selben Erde steht. So langsam geht ihr die Energie aus, um noch weiter wachsen zu können. Was ihr zu beginn den absoluten Wachstumsschub gab, lässt nun ihre Blätter schal und blass wirken, Wachstum findet nur noch spärlich bis gar nicht mehr statt. 
Was diese Pflanze bräuchte ist Veränderung, einen grösseren Topf, neues gehaltvolles Substrat und einen neuen, helleren Standort, an welchem sie aufblühen und gedeihen kann.

Ich stehe in diesem alten Topf, ich lebe, ich habe dort alles was ich zum (über-)leben brauche, aber wachsen werde ich in diesem Topf nicht mehr weiter können, dafür fehlt mittlerweile die Substanz.

Aber zum Glück bin ich keine Pflanze die irgendwo festgewachsen ist, sondern ein Mensch mit zwei gesunden Füssen der sich von einem Ort zum nächsten bewegen kann.

Ich weiss aber auch, dass ich jetzt genau diese Phase, diese Brach-Phase dafür nützen kann und muss, damit die nächste Phase wundervoll werden kann.

Also arrangiere ich mich mit den Umständen.
Gelingt mir das?
An den meisten Tagen ja, plus / minus.
Und dann sind da „diese verdammten Tage, die ich kaum ertrage und mich ständig frage, warum mich all diese Gefühle plagen…“ (ja ich weiss geklaut, aber passend…)

An den Tagen zerreisst es mich fast, dann nimmt mein Freiheitsdrang volle Fahrt auf, alles ist Scheisse so wie es ist und aussichtslos und nochmals Vollgas furchtbar. 

An den Tagen gehts mir so richtig beschissen, manchmal so schlimm, dass ich gar nichts mehr will, alles erscheint mir sinnlos, ich sehe nur noch eine Sackgasse, in welcher ich hin und her laufe ohne ihr Ende zu finden. 
Und an solchen Tagen bin ich dann so dankbar, gibts zum Glück diese paar ganz wenigen Herzmenschen in meinem Leben, die mich mit ihrer Liebe auffangen und die mich dann in diesen Momenten daran erinnern, dass eben alles Phasen sind und jede Phase irgendwann zu Ende ist.

Ich weiss, dass das für viele nicht nachvollziehbar ist, wieso stillhalten für mich so ein Problem ist, sie können sich nicht vorstellen, wie sich das in mir drin anfühlt. Aber ich habe und hatte schon immer diesen inneren Ruf, vorwärts zu gehen, neues auszuprobieren und zu entdecken und dadurch immer mehr zu lernen und zu verstehen.

Ich bin halt eben doch keine Pflanze, ich bin ein Mensch und lerne durch Erfahrungen.

Und so bin ich nun, in dieser Phase mehr denn je, angehalten Yoga zu praktizieren, jeden Tag, in jeder Minute, vor allem abseits der Matte.
– Ich übe, tagtäglich meinen Fokus auszurichten. Wo macht es Sinn Energie hinein zu geben und wo nehme ich sie besser raus.
– Meine Gedanken zu kontrollieren (nach wie vor, meine grösste Herausforderung).
– Ich übe mich in Demut. Ich nehme an, dass es im Moment so ist wie es ist.
– Ich übe mich in Geduld, im Wissen, dass jede Phase ihr Ende findet.
– Kultiviere Zufriedenheit in einer Phase, in der es mir eigentlich nicht all zu wohl ist.
– Ziehe ich so oft es geht meine Sinne zurück, um meine innere Stimme wahrnehmen zu können.
– Halte ich mein Herz offen, auch wenn das in meiner aktuellen Lebensphase nur stellenweise einfach ist.

Fällt mir das alles leicht? Gelingt mir das immer?
Nein! Wirklich nicht!
Es verlangt mir einiges ab, meinen Fokus auszurichten, geduldig, zuversichtlich und zufrieden zu sein, manchmal scheitere ich ganz kläglich mit all dem.

Aber wie sagte es Sri Patthabi Jois, der Entwickler des Ashtanga Yoga, immer so treffend:
„Practice and all is comming!“

Worin übst du dich gerade?